Zehn Uhr Morgens. Architekt John Johnboy Johninger und Rechtsanwältin Manuela Raufbold-Rollinger-Griesgram stapfen den geschotterten Weg zum vermeintlichen Traumhaus der Familie Püttmann. Der Kies knirscht unter ihren Schuhen. Rechtsanwältin Raufbold-Rollinger-Griesgram, mit einem Gesichtsausdruck zwischen Entschlossenheit und Tötungswillen eilt voraus, während John hinterherdackelt. Schwenk zum Haus. Eingezäunt mit einem halben Gerüst, flattert überall Folie daran herum. Mindestens ein Fenster scheint falschrum zu sein. Im Hintergrund bedrohliche Musik.
In der Haustür steht erwartungsvoll Familie Püttmann. Dolores Püttmann, 43, hat einen eingewachsenen Zehennagel, ihr Mann Werner einen chronischen Bierbauch und lediglich Sohn Ayden-Jermaine hat kein schweres Schicksal, weshalb ihm die Produktionsfirma einen zweiten Kopf zwischen die Schulterblätter modelliert hat. Dolores bricht beim Anblick des Bauretter-Duos in Tränen aus. Alle umarmen sich in Zeitlupe. Im Hintergrund singt James Blunt.
Dolores Püttmann erläutert wortreich die Hintergrundgeschichte. Nach der Geburt von Ayden-Jermaine vor 14 Jahren wurde die alte Datsche allmählich zu eng und die Familie nahm all ihr Erspartes, um sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Weitere Säulen der Finanzierung war ein Darlehen von Dolores Mutter sowie mehrere Kubikmeter Dosenpfand. Zur weiteren Deckung der Raten trägt Sohn Ayden-Jermaine vor, nach und während der Schulzeit Werbezeitungen aus.
Der Bauunternehmer Kloppenhübel hat die arglose Familie jedoch gewaltig über den Tisch gezogen. So wurde beispielsweise die gesamte Bodenplatte vergessen. Das fiel den Püttmanns leider erst auf, als im Sommer im Flur Gerste wuchs. Weiterhin sparte Kloppenhübel an allen Ecken und Enden: So sind die 185 qm Wohnfläche nur in zwei Zimmer aufgeteilt, wovon nur eines eine Steckdose hat. Ein Bad ist gar nicht vorgesehen; Heimwerker Werner hat am Fallrohr der Regenrinne einen Waschtisch installiert.
Raufbold-Rollinger Griesgram und Johnboy Johninger sehen sich alle Räume mit großen Augen und kopfschüttelnd an. Vereinzelt schlagen sie erschrocken die Hand vor den Mund. Im Hintergrund läuft Musik aus Hitchcocks „Psycho“. Die Püttmanns schauen die Bauretter erwartungsvoll an. Der zweiköpfige Sohn Ayden-Jermaine Püttmann braucht nun seine Medikamente gegen den zweiten Kopf! Dolores nimmt ihn in die Arme und tröstet ihn. Was für ein schweres Schicksal die Familie hat! Und nun auch noch die vermurkste Hütte am Bein. Im Hintergrund eine B-Seite von James Blunt.
Der nächste Tag beginnt sonnig und strotzt vor Tatendrang. Ein Bauretter-Plakat wird an der Fassade ausgerollt. Mehrere örtliche Handwerker aus Klettwitz in Sachsen marschieren in Reih und Glied auf das Haus zu. Alle haben symbolische Werkzeuge in der Hand. Genau so sieht es auch aus, wenn man zuhause Handwerker bestellt. Sie klatschen alle mit Architekt Johnboy ab, danach erläutert dieser den Arbeitsplan: erstmal kamerawirksam ein paar Wände einreißen, und dann sehn wir mal weiter.
Währenddessen kümmert sich Rechtsanwältin Lackmus-Drache-Priesemuth um ein Gespräch mit Bauunternehmer Kloppenhübel. Dieser wiegelt ab, so schlimm sei das alles gar nicht, mit ein wenig Farbe würde man das schon bald nicht mehr sehen und außerdem habe die Familie Püttmann auch nur 25.000 € für das ganze Haus bezahlt. Dass man da irgendwo Abstriche machen müsse, sei ja wohl klar. Rechtsanwältin Deubler-Gmelin erinnert nochmal an das schwere Schicksal der Püttmanns und droht, als Kloppenhübel immer noch nicht einlenkt, mit einer Schadensersatzklage in Höhe von 1,2 Milliarden Euro.
Unterdessen geht es im Haus tatkräftig weiter: alle Handwerker stehen in Ecken und schütteln die Köpfe. Verpfuschte Stellen werden in Großaufnahme gefilmt. Maurer Ronny aus Schipkau schlägt mit dem Vorschlaghammer auf eine Außenwand ein. Malermeisterin Jacky sprüht die Erde am Boden grau an, so dass es wie ein Fußboden aussieht. Ein schickes Badezimmer wird als Fototapete an die Wand gebracht. Die Monteure des Küchenstudios Willmann stellen eine Küche auf. Sämtliche Fronten sind noch eingeschweißt, weil sie nach Drehschluss wieder abgeholt werden. Weitere Räume und Zwischenwände werden mit Stellwänden improvisiert. Es werden Bilder angeklebt und weitere Steckdosen aufgemalt.
Das Finale: Kloppenhübel hat eingelenkt und will spätestens nächste Woche den Scheck für die 1,2 Milliarden Euro in die Post tun. Familie Püttmann darf nun das neue Heim anschauen, während Statisten ein Spalier an der Haustür bilden und frenetisch applaudieren. In Zeitlupe wird Raum für Raum inspziert, man umarmt sich beinahe sekündlich. Der zweite Kopf des Ayden-Jermaine Püttmann ist durch die Medikamente mittlerweile deutlich kleiner geworden. Alles sind glücklich und trinken ein Gläschen Regenwasser aus dem Soda-Max.
Raufbold-Grollinger-Kiesewetter und John Johnnyman Boyjohn schauen sich verträumt an. Wieder ist eine Rettung gelungen!
Ausblende und Abspann.
Schön satirisch geschrieben!
Zu schön geschrieben 🙂 Leider ist da dann aber doch sehr viel wahres dran!
macht immer wieder Spaß hier zu lesen !
Ähnlichkeiten mit realen Personen sind wie immer rein zufällig 😉
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