Am vergangenen Dienstag wollte es der Zufall, dass ich abends vor dem Fernsehgerät saß und tatsächlich bei VOX und der Sendung „Zuhause im Glück“ hängengeblieben bin. Nachdem ich meine bessere Hälfte davon überzeugen konnte, blieb ich dran, denn was mich an diesen Sendungen reizt, ist die Möglichkeit, den einen oder anderen handwerklichen Tip zu bekommen. Generell klaue ich mir alle meine ‚Skills‘ zusammen, sei es bei Youtube, in solchen Sendungen, oder einfach das genaue Studieren fertiger Räume in Ferienwohnungen, öffentlichen Gebäuden usw. Oder nötigenfalls sogar das oblatendünne Halbwissen in diversen Internetforen.
Tatsächlich habe ich in den 90 Minuten, die diese Sendung dauert, etwa 1,3 Sekunden eine Maurerkelle sehen können. Das handwerkliche Abguck-Potential reduziert sich also tatsächlich auf ein Minimum und man muss schon sehr genau schauen und höchst wachsam sein, um zufällig einen gelungenen Handgriff im Hintergrund zu erblicken.
Aufgebaut sind diese Sendungen ja immer gleich, schon damals bei Tine Wittler oder Ernie van de Majglökjes(?) greift man für den krassen Vorher-Nachher-Unterschied in die filmische Trickkiste. VORHER wird mit einer großen Brennweite und mittlerweile sogar mit einer Art Graufilter gefilmt, so dass selbst Schloß Sanssouci wie eine desolate Bruchbude aussehen würde. Gerne werden Ecken mit abgebröckeltem Putz oder krummen Nägeln gesucht und per Großaufnahme in Szene gesetzt. NACHHER wird per Weitwinkel eingfangen (allein das macht alle Räume schonmal doppelt so groß), und die Farben leuchten nur so aus dem Fernseher. Musikalisch sorgt die Totenmesse vs. Freude-schöner-Götterunken auch für einen ordentlichen Kontrast in akustischer Hinsicht.
Die betroffene Familie hat idealerweise diverse Gebrechen, haufenweise Schulden oder unheilbare Schicksale und sieht oft so aus, als ob die bald renovierte Bude in vier Tagen wieder genau wie vorher zugerichtet wird. Einige herzzerreißende Interviews werden aufgezeichnet und dann die Mischpoke in ein Hotel verfrachtet.
Nun ist erstmal Action angesagt. Langweilig wäre, wenn nur einer kommt und die Fußleisten ausbessert. Also werden vor allem gerne Wanddurchbrüche eingeplant (sind die nötig? Egal!), denn hier kann mit schwerem Gerät wie Vorschlaghammer und Abrißbirne alles umgerissen werden. Die stets gutgelaunten Handwerker gehen dann fröhlich ans Werk. Die Moderatorin stakselt topmodisch und vor allem blitzsauber gekleidet („die packt auch selber gerne mal mit an!“) durch die Szenerie. Eventuelle Konflikte sind derart inszeniert, das es schon weh tut und bauliche Grundregeln werden gerne mal ausgehebelt. Oder wie schafft man es, an Tag eins den Estrich zu gießen und zwei Tage später die Fliesen fertig zu haben? Muss da nichts trocknen oder werden diese Serien in einer Schutzatmosphären-Kuppel gedreht?
Nach ein paar Tagen kommt dann die sicherlich überhaupt nicht inszenierte Erkenntnis, dass die Zeit nicht reicht/es Probleme gibt/man mehr Handwerker braucht. Moderatorin/Innenarchitektin und Moderator/Architekt sowie der Bauleiter halten eine Krisensitzung. Verzweifelte Handwerkerblicke werden dramatisch aneinandergeschnitten. Überraschenderweise kommt dann Rettung durch herbeieilende Zusatz-Handwerker, die nun aber richtig was wegschaffen, während Moderatrice und Bauleitung bei Ikea Blümchenkissen shoppen.
Und dann diese Überraschungen! Folgende Szene ist mir im Kopf geblieben:
Moderatorin: (fingert umständlich mit dem Plan herum) Hier, da fände ich einen Kaminofen toll! Das ist zwar jetzt sehr spontan, aber meinst Du, das kriegen wir hin?
„Allrounder“ (klingt äußerst auswendiggelernt): Das ist unmöglich, Eva! Das würde bedeuten, dass Du innerhalb von 24 Stunden einen Kamin organisieren musst!
Moderatorin: Das schaffe ich! Wette?
„Allrounder“: Niemals! Ich wette dagegen!
Mal davon abgesehen, dass der ’spontane‘ Kamin wahrscheinlich schon auf der Redaktionssitzung im Mai 2011 besprochen wurde, schafft sicherlich jeder zweite Kaminbauer, der die Chance auf einen Fernsehauftritt mit üppigem Product-Placement hat, auch innerhalb von zwei Stunden einen Kamin ran. Tatsächlich kamen dann auch die „Jungs“ (das sind alles „Jungs“) mit einem großflächig beschrifteten Lieferwagen und bauten den Kamin pünktlich ein.
Irgendwann ist dann Zeit für’s Finale. Die schicksalsgebeutelte Familie verlässt das Hotel und wird dort von einem applaudierenden Spalier der Hotelangestellten (WARUM?) begleitet. Vor dem Haus versammeln sich diverse Statisten Nachbarn und Freunde (bisher haben sich die ‚Freunde‘ zwar auch nicht um das Schicksal der Familie geschert, aber was solls…) und applaudieren, klatschen und jubeln.
Der filmische Trick im Finale ist übrigens die Zeitlupe. Sich umarmende Menschen in Zeitlupe mit Violinenmusik sind deutlich rührender als Menschn, die sich in normaler Geschwindigkeit umarmen. Dasselbe gilt für sich öffnende Türen oder ein Lächeln beim Anblick der frisch renovierten Gemächer. Mein persönliches Highlight der letzten Folge war allen ernstes eine Zeitlupen-Klospülung. VORHER gab es nämlich keine richtige Klospülung und so wurde NACHHER die Taste betätigt und der gurgelnde Wasserschwall ergoß sich in Slow-Motion und mit Streichersoundtrack in die Kanalisation. Tränen der Rührung konnte ich nur schwerlich zurückhalten.
Ein Raum nach dem anderen, alle extrem weitwinkelig und schnieke dekoriert (Tine Wittler legte noch zusätzlich in Zeitlupe Äpfel in Glasschüsseln) wird von der Sippe tränenreich begutachtet, stets unterbrochen durch Werbung und übrigens sehr zeitlupen- und streicherlastig. Trotz aller Probleme hat das Team es wieder in acht Tagen geschafft und auch die Handwerker bekommen nochmal Applaus von den Statisten Nachbarn und Freunden. Jeder umarmt nochmal jeden in Zeitlupe und irgendwann ist die Sendung zuende. Sowohl die zuschauenden Männer sind glücklich (Vorschlaghammer! Baufpusch begaffen! Kopfschütteln! Betongießen!), als auch die handwerklich ambitionierten Frauen (Eva’s Basteltips! Deko hier Deko da!), aber auch die Herzschmerzzuschauer (Schicksal! Zeitlupen! Tränen! Umarmungen!). Jedem hat es gefallen, obwohl man eigentlich weiß, dass viel Blödsinn dabei ist.
Ich weiß es natürlich auch. Eigentlich war’s ja doch ganz nett…wann ist wieder Dienstag? Könnte man ja mal wieder reinschauen…. 😉
Sehr gute Zusammenfassung! Sehr, sehr geil! 😉
Das triffts wirklich! Ich kann mit diesen ganzen Pseudo-Handwerkssendungen einfach nichts anfangen. Das ganze ist irgendwie imme Gute Zeiten Schlechte Zeten mit Hammer. Geht garnicht!
Ja, der Bericht gibt genau auch meine Gedanken wieder wenn ich da mal beim durchzappen hängen bleibe. Im Prinzip fast wie diese US-Billigserien – nur ohne eingeblendetes Gelächter…
Ja, man bleibt dann doch hängen, vielleicht kann man ja einen nützlichen Blick erhaschen wenn zwischendurch zwei Sekunden was handwerkliches gezeigt wird 😉